Urteil zum Gehwegparken gefällt: Städte und Gemeinden müssen handeln
Nach einem Urteil in Bremen hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig jetzt entschieden: Städte brauchen ein Parkraum-Konzept, um die Gehwege frei von parkenden Autos zu halten. Auch Kommunen in Schleswig-Holstein müssen jetzt handeln.
Dieses Bild kennen wir aus vielen Städten im Land: Autos stehen reihenweise mit zwei Reifen auf dem Gehweg und blockieren sie damit für alle, die diese nutzen wollen – das so genannte aufgesetzte Parken oder Gehwegparken. Das ist laut Straßenverkehrsordnung (StVO) eigentlich verboten, wird aber von den meisten Städten deutschlandweit aufgrund von Parkplatzmangel stillschweigend geduldet. Anwohner*innen in Bremen hatten 2023 gegen die Untätigkeit der Kommune geklagt und wollten sie so zum Handeln auffordern. Der Fall ist bis zum Oberverwaltungsgericht in Leipzig gegangen. Das hat entschieden: Die Anwohner*innen bekommen teilweise recht.
Sicherheitsgefährdung durch Falschparken
In zahlreichen engen Wohnstraßen werden die immer breiter werdenden PKW häufig so nah an der Grundstücksgrenze abgestellt, dass die Gehwege unpassierbar sind. In Einbahnstraßen sind die Fuß- und Radwege in der Regel sogar beidseitig von Autos belegt. Rollstuhl- und Rollatornutzende kommen nicht mehr durch, Menschen mit Kinderwagen und Kinder auf Fahrrädern müssen auf die Fahrbahn ausweichen, weil Autos illegal geparkt werden. Damit einher geht ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsdefizit, Komfortverlust und Fahrzeitverlängerung.
Klage gegen Untätigkeit der Stadt Bremen
Genau aus diesem Grund hatten Anwohner*innen in Bremen gegen die Untätigkeit der Stadt in Sachen zugeparkter Gehwege geklagt. Bei der Klage ging es aber nicht um das Verbot des Gehwegparkens an sich. Denn das verbietet die Straßenverkehrsordnung sowieso. Die Anwohner*innen wollten stattdessen erreichen, dass die Stadt ihren Handlungsspielraum nutze und falsch parkenden Autos beispielsweise abschleppe oder Bußgelder verteile. Das Oberlandesgericht Bremen entschied in zweiter Instanz: Anwohner*innen haben in der Tat das Recht auf einen freien Gehweg. Allerdings muss die Stadt nicht sofort handeln, sondern hat einen Ermessensspielraum und muss nachweisbar zeitnah am Parkplatz-Problem arbeiten. In welchem Viertel sie dabei anfängt, bleibt der Kommune überlassen. Nachdem sowohl Kläger*innen als auch Beklagte in Revision gegangen sind, wurde der Fall vor dem höchsten deutschen Verwaltungsgericht in Leipzig entschieden.
Gute Nachricht für die Verkehrswende
Die Leizpiger Richter*innen fällten ihr Urteil am 6. Juni 2024 und bestätigten damit das Urteil aus Bremen in großen Teilen. Kommunen müssen umdenken. Sie dürfen das illegale Parken nicht weiter ignorieren. Die Kläger*innen haben also kein Anrecht darauf, dass die Straße vor ihrer eigenen Haustür von Autos freigemacht wird. Vielmehr muss die Stadt Bremen sich Gedanken um die Parksituation in der ganzen Stadt machen. Ab jetzt ist auch das Argument „Wir haben keine Kapzitäten!“ kein Argument mehr. Denn die Stadt darf und muss im eigenen Ermessen ein Konzept erarbeiten, das den eigenen Kapazitäten entspricht.
Strahlkraft auch für Schleswig-Holstein
Zwar gibt es auch mit dem Urteil aus Leipzig kein Recht auf einen freien Gehweg vor der eigenen Haustür. Außerdem schreibt das Urteil den Städten keine Details zum Vorgehen vor. Dennoch hat das Urteil Strahlkraft für den Norden. Denn Anwohner*innen haben nun das Recht, ein Einschreiten der Kommune zu fördern, wenn der Gehweg illegal zugeparkt ist. Die Botschaft an die Kommunen ist klar: Erarbeitet ein umfangreiches Parkraum-Konzept, ansonsten wird sich ein*e Kläger*in finden, der auch in Schleswig-Holstein aufgrund des Bremer Urteils große Aussicht auf Erfolg hätte.
ADFC-Appell an die Landesregierung: Wir brauchen einen "Falschparker"-Erlass
Der Falschparker-Erlass der baden-württembergischen Ministerien für Inneres und Verkehr gibt seit 2020 den verantwortlichen Städten und Kommunen eine klare Handlungsanweisung, konsequent gegen Parkverstöße vorzugehen. Er stellt schon seit Jahren klar, dass Falschparken kein Kavaliersdelikt ist und dass Zufußgehende wie Radfahrende auf ihren Alltagswegen nicht gefährdet werden dürfen.
Mit dem Erlass weist das Ministerium die nachfolgenden Behörden zu folgenden Handlungen an:
- Sanktionsmöglichkeiten gilt es konsequent anzuwenden.
- Handlungsspielräume zur Ahndung von Falschparken gilt es voll auszuschöpfen.
- Dies gilt auch in Fällen mit erhöhtem Begründungsaufwand.
- Überwachungsschwerpunkte sind auf Brennpunkte (Querungen, Schulwege, Geh- und Radwege) zu fokussieren.
Wir, als ADFC SH, setzen uns an den entsprechenden Stellen dafür ein, dass solch ein Erlass ebenfalls auch in Schleswig-Holstein Praxis wird. Denn Falschparken ist kein Kavaliersdelikt. Wir erwarten von den Kommunen nicht nur eine Beseitigung des rechtswidrigen Gehwegparkens, sondern auch die konsequente Verfolgung von Falschparker*innen durch die lokalen Ordnungsbehörden.