Radverkehr in SH: 38 Millionen und ein Masterplan
38 Millionen Euro für die Radwege in Schleswig-Holstein? Ja, richtig gehört, das Land hat einen "Masterplan" für die Radwege. Damit möchte das Land die Ursachen dafür beseitigen, dass immer noch zu viele Menschen ins Auto statt auf’s Rad steigen.
In den kommenden zehn Monaten soll deshalb eine einmalige Summe von etwas mehr als 38 Millionen Euro in den Radwegebau gesteckt und fast 40 Baustellen des Landes sollen noch in diesem Jahr angegangen werden. Dieser hohe Betrag beinhaltet auch einen einmaligen Zuschuss an die Kreise und Gemeinden in Höhe von 20 Millionen Euro. Noch bis Ende des Jahres soll außerdem ein Priorisierungskatalog für die Umsetzung des Landesweiten Radverkehrsnetzes (LRVN) erstellt werden, das im Februar vom Land veröffentlicht wurde. Allerhöchste Zeit - war doch die aktuelle Version aus 2007!
Gute Vorzeichen: Landesweites Radverkehrsnetz, Geld für Infrastruktur und Personal
Dieses Radverkehrsnetz (LRVN), das vor al lem dem Land, aber auch den Kreisen und Kommunen als Planungsinstrument für den Neu-, Um- und Ausbau sowie der Sanierung wichtiger Radverbindungen dient, stellt alle wichtigen überörtlichen Verbindungen dar. Dabei berücksichtigt es vor allem Schulverkehre sowie Arbeits- und Ausbildungsverkehre und bildet die Grundlage für kommunale Radverkehrsnetze - also z.B. wie man gut von Zuhause zum Einkaufen oder zum Sport kommt.
Ob der Priorisierungskatalog für die Umsetzung der fehlenden Verbindungen im Radverkehrsnetz (LRVN) Grundlage dafür ist, wie die genannten 20 Millionen Euroan Kreise und Gemeinden verteilt werden sollen - das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. „Leider schafft das nicht gerade Planungssicherheit und Klarheit für Kreise und Kommunen, mit welchen Projekten und Maßnahmen sie die Förderung abrufen können. Das ist deshalb besonders fatal, weil das Geld bis Ende des Jahres ausgegeben sein soll. Ein Übertrag ins nächste Jahr ist derzeit nicht geplant“, so ADFC-Landesgeschäftsführer Jan Voß. Gerade deshalb braucht das Rad eine starke Stimme dort, wo Radwege geplant und gebaut werden - in Kreisen und Kommunen. Das Land hat das erkannt und die langjährige Forderung des ADFC SH endlich übernommen und die Finanzmittel für Radverkehrsbeauftragte mit 300.000 Euro pro Jahr bis zum Jahr 2026 in den Haushalt aufgenommen. Entsprechend verteilt könnte damit beispielsweise in jedem Kreis eine volle Personalstelle geschaffen werden.
Und wie sieht die finanzielle Radverkehrsförderung auf Bundesebene aus?
Nicht gut. Statt mehr stehen der Förderung des Radverkehrs nun weniger Mittel zur Verfügung, die Bundesmittel zur Förderung des Radverkehrs gegenüber der Vorgängerregierung wurden halbiert (2022: 750 Mio. €, 2023: 560 Mio. €, 2024: 350 Mio. €). Damit lässt sich der Nationale Radverkehrsplan nicht umsetzen: Laut Verkehrsministerkonferenz wäre hierfür die Fahrradmilliarde, also eine Milliarde Euro pro Jahr für den Radverkehr, notwendig. Das gesamte “Zwischenzeugnis Verkehrspolitik” lässt sich auf ampel-check.de, einer gemeinsamen Initiative von ACE, ADFC e.V. und Allianz pro Schiene nachlesen.
Wieder zurück zu uns in den Norden: Alles in allem rollt das Rad zurzeit in Schleswig-Holstein
Nur im Bereich der Verkehrssicherheit bleibt das Land weit hinter den sich selbst gesteckten Zielen in der Radstrategie SH von 2020 zurück. Im aktuellen Fortschrittsbericht von November 2023 findet sich noch immer kein Wort zur geplanten Erarbeitung eines dringend benötigten Verkehrssicherheitskonzeptes für das gesamte Land. Stattdessen brachten die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mitte Dezember letzten Jahres den Antrag „Vision Zero voranbringen – Mehr Verkehrssicherheit für Schleswig-Holstein“ in das Landtagsplenum ein. Am Inhalt des Antrags war im Grunde nichts auszusetzen, doch zeigte er deutlich, “dass die Fraktionen und die Landesregierung kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem haben! Denn sie haben die wichtigen Lösungen der Verkehrssicherheit explizit benannt: Vision Zero als Leitziel festlegen, fehlerverzeihende Infrastruktur ausbauen und Stärkung der Verkehrssicherheitsangebote”, so ADFC-Landesvorsitzende Stephanie Meyer. Der Antrag blieb auch an weiteren wichtigen Stellen vage - wie die Infrastruktur durch Kommunen und Kreise ausgebaut werden soll, wurde nicht benannt. Statt nun daraus mit allen relevanten Akteur*innen ein langfristig gültiges Konzept zu erarbeiten, sollen einzelne nicht näher genannte Initiativen ohne strukturierenden Rahmen umgesetzt werden! “Entsprechend kopflos werden die Bemühungen des Landes wohl auch in diesem Jahr aussehen, die Zahl der Verkehrstoten zu reduzieren”, so ADFC-Landesgeschäftsführer Jan Voß. “Die Infrastruktur ist den steigenden Zahlen an E-Bikes nicht gewachsen und muss schneller ertüchtigt werden. Das Land bleibt nur glaubwürdig, wenn es mit gutem Vorbild vorangeht!” Die Zahl der verletzten und getöteten Radfahrer sank 2023 weiter, während die Zahl der Pedelec-Fahrenden anstieg. In der zweiten Hälfte wurde der Antrag konkret, indem die Landesregierung dazu aufgefordert wurde, sich weiterhin im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat für ein zeitgemäßes Straßenverkehrsgesetz einzusetzen. Der Gesetzesentwurf des Bundes war überraschenderweise im November im Bundesrat abgelehnt worden - Schleswig-Holstein hatte dem Antrag jedoch zugestimmt. Bemühungen der Bundesregierung, eine Einigung im Vermittlungsausschuss zu erreichen, sind derzeit (April 2024) jedenfalls nicht erkennbar - obwohl auf der Verkehrsministerkonferenz am 17. und 18. April laut Verkehrsminister Winfried Hermann aus Baden-Würtemberg ein tragfähiger Kompromissvorschlag zur Rettung der StVG-Reform gefunden wurde. Mit bitteren Konsequenzen für alle Kommunen, die sich mehr Gestaltungsspielraum bei Verkehrsmaßnahmen für mehr Sicherheit, Klimaschutz und Ortsentwicklung wünschen. “Wir brauchen mehr kommunalen Entscheidungsspielraum bei der Verkehrsplanung und Verkehrssteuerung vor Ort. Deshalb appellieren wir an die Länder und den Bund, endlich den Vermittlungsausschuss anzurufen und die dringend nötige Novelle des StVG wieder in die Spur zu bringen”, so Städtetagspräsident Markus Lewe zur gescheiterten Reform.