Über Gewinnung und Beteiligung junger Mensch im ADFC - Ein Erfahrungsbericht
"Junge Menschen fürs Rad und den ADFC begeistern" - was leicht klingt, ist heutzutage eine große Herausforderung. Beim diesjährigen Aktiventreffen setzte sich ein Workshop mit der Frage auseinander, wie es uns trotzdem gelingen kann. Ein Bericht.
Ich bin Hauke und absolviere seit August diesen Jahres mein Freiwilliges Ökologisches Jahr in der Landesgeschäftsstelle des ADFC Schleswig-Holstein. In dieser Zeit durfte ich schon viele spannende Themen und Facetten des Vereins kennenlernen. Unter anderem eine Entwicklung, die in vielen Bereichen sozialen Engagements sichtbar sind: Junge Menschen sind im ADFC bisher unterrepräsentiert. Dem soll nun durch die Gründung des „Jungen ADFC“ entgegengewirkt werden. Und auch auch beim diesjährigen Aktiventreffen durfte ich das Thema präsentieren und mit der Hälfte der Anwesenden in einem Workshop zum Thema „Junge Menschen fürs Rad begeistern“ bearbeiten. In didsem Beitrag möchte ich den Austausch, aber auch meine Gedanken als Junger Mensch dazu darlegen.
Wir beschäftigten uns mit verschiedenen Aspekten des Themas und versuchten herauszufinden, wie die Bindung zwischen dem ADFC und dieser Zielgruppe gestärkt werden kann. Allen Teilnehmer:innen möchte ich für ihr Engagement im Workshop danken, mit dem sie einen vielfältigen Beitrag für die zukünftige Arbeit in diesem Bereich geleistet haben.
Ich hatte versprochen, die Ergebnisse in einem Artikel aufzubereiten. Da ich hier allerdings als junger Mensch im Freiwilligendienst eine moralisierende Position einnehmen könnte und genau das im Sinne einer konstruktiven Debatte verhindern möchte, habe ich zur Auseinandersetzung mit den Ergebnissen einen etwas anderen Weg gewählt.
Wie machen wir den ADFC interessant für “Hanna”? Ein Gedankenexperiment
Ich möchte die Ergebnisse in einem “Gedankenexperiment” darstellen: Stellen wir uns ein Mädchen namens Hanna vor, vielleicht sechzehn Jahre alt – was löst bei ihr Begeisterung fürs Radfahren aus? Würde sie überhaupt längere Mehrtagestouren machen? Eine Ausbildung zur Zweiradmechatronikerin? Und dann auch noch dem ADFC beitreten? Der Reihe nach.
Um bei Hanna überhaupt Interesse fürs Fahrradfahren hervorzurufen, ist entweder eine längere Heranführung oder ein spontanes Ereignis notwendig. Begeisterung entsteht dann aus der Inspiration an (Praxis-)Beispielen – das können schöne Fahrräder, eine hochwertige Fahrradinfrastruktur und das Vorbild der dänischen Fahrradkultur sein. Aber auch handfeste Technik, Reparaturen und Tuning. Gepaart mit mehr sichtbarem Radverkehr, speziellen Angeboten an junge Menschen und offen gestalteten Challenges (etwa dem Hackenpedder) entwickelt sich Hannas Freude am Radfahren.
Diese kann nun durch längere Radreisen weiter gesteigert werden, die allerdings mit Jugendlichen besondere Herausfordeurngen bereithalten. Wie kann also guter Radtourismus mit Hanna gelingen? Wichtig sind ein realistisches Ziel und eine gute Streckenführung, dazu kommt eine Ausrichtung auf Jugendliche durch Unterkünfte wie Bett+Bike. Auch Touren entlang einer attraktiven Route, nach den Kriterien Hannas, sind hier entscheidend. Die Attraktivität wird zudem dadurch gesteigert, Hanna mit fortschreitender Erfahrung immer stärker in die Planung einzubinden, sodass die Tour ihren Erwartungen entspricht. Abschließend ist Inspiration über Filme und Social Media in der heutigen Zeit für die Zielsetzung und Motivation bei Planung und Durchführung relevant.
Wie kann die Begeisterung für das Fahrrad nun auf anderen Gebieten genutzt werden?
Angenommen, Hanna entwickelt über ihre Begeisterung am Fahrradfahren auch Interesse an der Technik und steht nun nach der Schule vor der Wahl ihres weiteren Bildungsweges. Um sie von einer Ausbildung zur Fahrradmechatronikerin zu überzeugen, braucht es neben angemessenen Arbeitsbedingungen und Gehältern gut ausgestattete Berufsschulen samt Lebensqualität vor Ort. Davor wird ebenso Werbung in der Schulzeit benötigt. Dies kann über Fahrrad-AGs, -Projekte oder technikbegeisterte Lehrer:innen gelingen. Möglicherweise findet Hanna durch Werbung auf Ausbildungsmessen ihre zukünftige Ausbildungsstelle oder zumindest Informationen zur Ausbildung selbst. Benefits wie ein Jobrad und eine erhöhte gesellschaftliche Reputation sowie Geschlechterparität des Berufs steigern die Attraktivität der Ausbildung zusätzlich.
Idealerweise entscheidet sie sich im Verlaufe des skizzierten Prozesses, dem ADFC beizutreten. Dies setzt die Schaffung von einladenden Rahmenbedingungen voraus und fordert uns als Verein daher auch zu manchen Veränderungen auf. Insgesamt sind vereinsintern auf (junge) Frauen zugeschnittene Strukturen („Safe Spaces“) notwendig, beispielsweise eigene Vernetzungsebenen. Darüber hinaus sind jedoch weitere weibliche Tourenleiterinnen sowie Frauentouren notwendig. Zudem müssen manche bestehenden Angebote für Hanna und ihre Altersgenoss*innen überdacht werden – Kneipenstammtische oder lange Fahrradtouren am Mittwochabend sind je nach individueller Situation nicht immer ganz einfach. Allgemein stehen Angebote spezifisch für Familien, gerade mit jüngeren Kindern, dem Verein gut zu Gesicht.
Eine Idealisierung, klar – was können wir also mitnehmen?
Hanna hat in unserem Gedankenspiel sowohl den Weg in den ADFC gefunden als auch eine umfassende Begeisterung für das Fahrrad gezeigt. Damit das auch in der Realität öfter gelingt, werden Veränderungen notwendig sein. Für diese wurde mit der Gründung des bundesweiten „Jungen ADFC“ das Fundament gelegt, vor dem jetzt allerdings noch viel Arbeit liegt. Unter Einbeziehung der Ergebnisse des Workshops und weiterer Erfahrungen kann diese auch in Schleswig-Holstein in Angriff genommen werden.
Ich möchte mich noch einmal herzlich für die Mitarbeit im Workshop bedanken und würde mich sehr über Rückmeldungen zu den Ergebnissen des Workshops und meinen Schlüssen daraus freuen!