Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Schleswig-Holstein e. V.

Die Wedeler Bahnhofstraße - Geschichte eines Verkehrsversuchs

Ein Kommentar von Jürgen Lieske

Seit 2020 ist Wedel dabei, ein Verkehrskonzept zu erstellen. Übrigens nicht das Erste. Bereits 2005, 2008, 2012, … wurden immer wieder Konzepte abgestimmt. U. a. liegt ein Beschluss zur Bahnhofstraße in den Schubladen der Verwaltung und der Parteien. Es gab einen Konsens zur Neugestaltung der Bahnhofstraße. 2012 bereits beschlossen, aber wegen klammer Kassen vorerst nicht umgesetzt. Also, was kostet nichts? Vielleicht wäre Tempo 30 ein Start! 2014 dann wurde ein 1,2 m schmaler Schutzstreifen aufgemalt, damit der Bus auf 3,5 m Fahrbahn zügig fahren kann. Damit wurde Tempo 50 für weitere Jahre zementiert. Der ADFC Wedel ist damals gespalten: Schutzstreifen vs. Tempo 30. Die FDP schlägt Tempo 30 Anfang 2018 im Planungsausschuss vor. Einstimmig geht der Beschluß durch, mit einer kleinen Änderung: Man „fordert“ nicht, man „empfiehlt“. Diese kleine Änderung nutzte der ehemalige Bürgermeister Niels Schmidt, um nochmal Tempo 50 festzuzurren, indem er dem Rat das Vorbehaltsnetz von 1992, zur Aktualisierung vorlegte und darin für die Bahnhofstraße Tempo 50 begründete und mit mehrheitlicher Zustimmung im Rat, u. a. auch von zwei aktiven ADFC-Mitgliedern, fixierte.

2020 der nächste Anlauf. Innerhalb von zwei Jahren werden Bürger*innen, Fachleute und Kaufleute aktiv beteiligt. Einhellige Meinung der Bürger*innen ist eine Verkehrsberuhigung in der Bahnhofsstraße. Tempo 30 und eine Fahrradstraße kommen ins Gespräch, werden heiß diskutiert und dann wird ein „Verkehrsversuch“ beschlossen. Die großen Ideen für einen Verkehrsversuch mit kleineren Umbauten, Events, planerischer Begleitung fallen aufgrund fehlender finanzieller Mittel weg. Es wird abgespeckt. Keine Events, keine Umbauten. Aber die planerische Begleitung bleibt.

Also Fahrradstraße ja. Aber wie? Eine echte Fahrradstraße, so zeigt sich schnell, sei angeblich nicht durchsetzbar. Der Bus. Die Kaufleute. Probleme über Probleme. Kurz vor dem Start machen sich die Kaufleute nochmal stark für „Kfz frei“ – und zwar ohne Einschränkungen wie “Anwohner frei”. Immerhin ist die Bahnhofstraße nun seit Juli eine Fahrradstraße mit “Kfz frei”. Kein Schutzstreifen und Tempo 30 bringen erste Reaktionen, zwar langsam, aber stetig. Zumindest nach dem, was man so wahrnimmt und in Gesprächen hört. Es werde ruhiger. Man überhole seltener Radfahrer*innen. Man drängle und hupe seltener. Sieht so Erfolg aus? Die einen sagen ja und möchten mehr. Die anderen sagen nein - und möchten viel mehr.

Und dann sind da noch die Kaufleute mit Umsatzeinbußen. Oder gab es gar keine? Und wenn doch, lag es an anderen Faktoren? An der Fahrradstraße kann es bisher nicht gelegen haben, denn die Bahnhofstraße ist nach wie vor für Kfz frei und die Parkplätze sind auch noch alle da.Apropos Parkplätze. Von 80 Kfz-Stellplätzen sollte ursprünglich Platz für Gastronomie, Radabstellplätze, etc. gewonnen werden, um die Innenstadt zu beleben (das anfänglich erklärte Ziel des Verkehrsversuchs). Man diskutiert, ob vier davon umgewidmet werden sollen. Offenbar hat man sich nun auf ganze zwei geeinigt. Ob mit diesem zögerlichen Vorgehen die Wedeler Innenstadt gerettet werden kann? Vielleicht sollten wir anfangen, anders zu fragen: Wie weit darf es bis zum nächsten Parkplatz sein? Zur nächsten Bushaltestelle sind es bis zu 250 m.

Im Juli 2023 wurde die Bahnhofstraße in Wedel im Rahmen eines Verkehrsversuchs als Fahrradstraße ausgeschildert. Der Autoverkehr bleibt uneingeschränkt zugelassen, sodass die Bahnhofstraße weiter als Durchgangsstraße genutzt wird. Das Ziel: die Belebung der Wedeler Innenstadt. Die Idee dahinter: Mehr Platz für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen sowie Verkehrsberuhigung im Allgemeinen sollen die Aufenthaltsqualität steigern. Der Verkehrsversuch soll laut Stadt “als Chance und Leitplanke funktionieren, um Fehlplanungen zu vermeiden”. Entscheidend dabei sei auch das Feedback der Wedeler*innen, das ausdrücklich gewünscht ist. Der ADFC Wedel befragte drei Monate später Passant*innen und Radler*innen. Jede*r Zweite sah die Fahrradstraße als Verbesserung. Drei von vier Befragten wünschten sich für die Zukunft eine Reduzierung des Autoverkehrs. Das Sicherheitsgefühl einer Fahrradstraße würde sich erst einstellen, wenn weniger PKW als Radler unterwegs sind. Der ADFC Wedel unterstützt die Stadt bei der Erreichung dieses Ziels. Doch wird sie es je erreichen?

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