Straßenszene in einem Superblock in Barcelona. Ein Fahrrad fährt auf einer ehemaligen Straße. Es sind Bäume in Töpfen zu sehen. Ein paar Fußgänger gehen über die ehemalige Straße, die jetzt ein Radweg ist. Es ist ein Tempolimitschild zu sehen mit einer 10 darauf zu sehen, also 10 km/h.

Fahrräder und Fußgänger*innen haben in Superblocks immer Vorrang, Autos sind nur zu Gast. © L´Ajuntament de Barcelona / Clara Soler Chopo

Superblocks – Die Straßen mit Leben füllen

Lebenswerte Oasen auf Asphalt: Barcelona sperrt ganze Viertel für den PKW-Durchgangsverkehr und gibt seinen Bürger*innen das zurück, was ihnen zusteht: Eine lebenswerte Stadt.

Superblocks - das sind verkehrsberuhigte Inseln im Großstadtdschungel, in denen Autos nur zu Gast sind und Rad- und Fußverkehr Vorrang haben. Mit diesem Konzept ist Barcelona ein wegweisendes Vorbild für innovative Städteplanung. Die Idee mag zwar einfach klingen, aber die Auswirkungen, die sie auf die katalanische Metropole haben, sind geradezu revolutionär. 

Die Ausgangslage: zu viel Beton und zu wenig Grün. Die Folge: der „Wärmeinseleffekt“. Die Lösung: Superblocks.

Neben den auch bei uns bekannten Problemen, wie einer enormen Verkehrsdichte, Lärm und Luftverschmutzung, leiden die Barceloneser*innen an einem besonders starken Wärmeinseleffekt. Verursacht durch viel Beton, hohe Wohnbebauung und zu wenig Grünflächen - also durch die Aufheizung von Gebäuden und Straßen - sind die Temperaturen in der Innenstadt teils bis zu acht Grad wärmer als im Umland. Mit den sogenannten “Superblocks” können diese Probleme spürbar abgemildert werden. 

Menschen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind, haben höchste Priorität. Autos sind nur zu Gast. 

Barcelona ist ziemlich quadratisch, wie ein Schachbrettmuster, aufgebaut. Größere Mehrfamilienhaus-Blöcke sind als Rechteck beziehungsweise Quadrat gebaut und von Straßen umschlossen. Idealerweise werden deshalb neun dieser Blöcke zu einem sogenannten “Superblock” zusammengefasst. Die Straßen zwischen den Blocks werden in Haupt- und Wohnstraßen klassifiziert . Damit wird der KFZ-Verkehr neu organisiert. 

„Superblocks“ mit Grün und Radverkehr statt „Wärmeinseln" mit Autolärm und Abgasen

Die Hauptstraßen werden für den Autoverkehr ausgebaut, die Wohnstraßen dagegen um verkehrsberuhigte Zonen erweitert. Die einzelnen Wohnblöcke sind durch verkehrsarme Straßen miteinander verbunden und bilden so den sogenannten Superblock. Als Anwohner*in ist es weiterhin möglich, mit dem Auto in das Gebiet zu fahren und dort zu parken. Allerdings gibt es keine Möglichkeit mehr, das Gebiet zu durchfahren und als Abkürzung zu benutzen. Ziel ist es, dass Kfz-Fahrten in diesen Straßen nur dann erlaubt sind, wenn sich dort ihr Start oder Ziel befindet. Dadurch verringert sich der motorisierte Verkehr insgesamt erheblich, besonders aber der Durchgangsverkehr. Wesentlich ist ebenfalls die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 10 km/h. Durch die Reduzierung der Routen für den Kfz-Verkehr werden rund 70 Prozent der Flächen für den Fuß- und Radverkehr frei. 

Bald auch bei uns? Superblocks sind in Deutschland umsetzbar - rechtlich und technisch

Auch in Deutschland liegen erste Ansätze zur Umsetzung derartiger Lösungen vor: In Berlin, Leipzig, Wiesbaden, Hamburg oder München inspiriert das Superblock-Konzept die Planenden dazu, neu zu denken. 

Alle Elemente, die in Barcelona zum Umsetzen der Superblocks verwendet werden, sind auch in Deutschland bekannt. Und noch viel wichtiger: Sie sind auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts hierzulande ebenfalls umsetzbar. Zum Teil sind es gestalterische Maßnahmen, die sich ohne rechtliche Vorgaben übertragen lassen. Neu ist ihre Kombination innerhalb eines Gesamtkonzepts. 

Zu diesen Maßnahmen gehören beispielsweise die Einrichtung von Einbahnstraßen in Wohnquartieren, geschützte Radwege an Hauptstraßen, aber auch das “Filtern” von Autoverkehr mit Pollern. Ein wichtiger Faktor zur Regulierung des verbleibenden Parkraumes nur für Anwohner*innen ist durch die Ausweisung von Bewohner*innen-Parkzonen und konsequenter Parkraumbewirtschaftung für Externe umsetzbar. Der freiwerdende Raum kann rechtlich simpel entwidmet und den Bürger*innen zurückgegeben werden.

Ein Blick ins Reallabor: Geht das Konzept in Barcelona auf? 

Zu den häufigsten Gegenargumenten zählen längere Wege zum Arbeitsplatz und zu den Parkplätzen, Umsatzeinbußen bei Geschäften und die Verlagerung des Verkehrs. All diese Effekte ließen sich in Barcelona aber nicht beobachten! Das Gegenteil war der Fall: Mit weniger Autoverkehr bewegten sich Menschen mehr zu Fuß und fahren Rad. 

Die Entschleunigung im Bezirk und das entspannte Flanieren haben sich auch wirtschaftlich positiv ausgewirkt. Die Anzahl der kleinen Läden und Geschäfte in den zu “Begegnungsbereichen” umgenutzten Straßen stieg um 30 Prozent. Jedoch muss auch eine mögliche Gentrifizierung bei der Planung berücksichtigt werden: Zahlungskräftige Menschen könnten sich durch die Aufwertung der Viertel angezogen fühlen, höhere Mieten zahlen und dadurch die dort ansässigen einkommensschwächeren Haushalte vertreiben. Deshalb sei es wichtig, dass solche Superblocks großflächig eingesetzt werden, damit “möglichst viele Viertel vom Umbau profitieren und nicht nur einige wenige”, so Melissa Gómez vom ADFC InnoRad-Projekt, das die Übertragbarkeit von internationalen Verkehrskonzepten auf Deutschland untersucht hat. Barcelona hat jedenfalls vor, 500 dieser Superblocks zu schaffen. 

2.483 m² Kinderspielplätze, 50 Prozent weniger Autoverkehr, 90 Prozent mehr Bäume, Anstieg der Lebenserwartung um 200 Tage und kaum Verkehrsunfälle: der Erfolg des Konzepts wird in konkreten Zahlen deutlich

In den Superblocks findet Leben nun wieder vor der Haustür statt – auf der ehemaligen Fahrbahn gibt es jetzt Freiraum für Parks, Flächen für Sport, Spiel und Bewegung. Oder für Fuß- und Radverkehr. Unter dem Slogan „Omplim de vida els carrers“ (auf Deutsch: “Lasst uns Straßen mit Leben füllen”) startete Ada Colau, Umweltaktivistin und 2015 zur Bürgermeisterin von Barcelona gewählt, Superblock-Programm. Nur zwei Jahre später wurde der Superblock im ehemaligen Arbeiterviertel Poblenou geschaffen. Dort zahlte sich der Mut aus: Der öffentliche Raum in dem Viertel wurde verdoppelt, es gibt 349 neue Sitzbereiche und 2.483 m² Kinderspielplätze, der motorisierte Verkehr sank um mehr als die Hälfte, der Anteil der Bäume im Viertel stieg um fast 90 Prozent - und es gibt so gut wie keine Verkehrsunfälle mehr. Und auch die gesundheitlichen Belastungen der Barceloneser*innen haben sich reduziert. Laut Barcelona Global Health Institute sanken die NO2 Werte in der Umgebung der grünen Oasen um 24 Prozent, die Lebenserwartung stieg um fast 200 Tage und fast 670 Todesfälle können jährlich verhindert werden. 

Also, worauf warten wir noch? Machen wir unsere Städte super! 

Ellen Pahling.

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Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 215.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

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