Ochsen, Schafe, Mönche – und Daten, Daten, Daten
Der Radtourismus boomt und gehört zu den Kernthemen der Tourismus-Strategie Schleswig-Holstein 2030. Darin findet sich auch das Ziel, die „Kundenzufriedenheit“ zu verbessern. Darum wurden die 13 Radfernwege in SH unter die Lupe genommen.
Kundenzufriedenheit bei der Wahl der Radreiseregion ist ein wichtiger Aspekt. Denn die ADFC-Radreiseanalyse zeigt regelmäßig: Radreisende berichten Freunden und Bekannten von ihren Reisen! Und so überrascht es nicht, dass bei der Wahl des Reiseziels mit 43,8 % die „Empfehlung von Freunden“ an zweiter Stelle steht. Was aber keine Statistik erfasst: Hier gilt auch der Umkehrschluss. Ein „Fahr bloß nicht diesen Radfernweg!“ von Radreisenden werden Freund*innen und Bekannten als Ratschlag ernst nehmen und dann lieber woanders hinfahren. Radreisende sind also Multiplikatoren, „for good and for bad.“
Um die Zufriedenheit zu erhöhen, muss man zunächst den Grund für eine mögliche Unzufriedenheit finden.
Um die Zufriedenheit zu erhöhen, muss man zunächst den Grund für eine mögliche Unzufriedenheit finden. Dieser Aufgabe hat sich das Land gestellt und die Befahrung aller 13 Radfernwege durch das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Tourismus und Technologie (MWVATT) in Auftrag gegeben. Im ersten Schritt hat das beauftragte Büro „Lebensraum Zukunft“ die Routen im D-Netz und Euro-Velo-Netz befahren. Das sind Nord-und Ostseeküsten-Radweg, Ochsenweg, Elberadweg (in SH) und Iron-Curtain-Trail. Diese Befahrung per Rad ist bereits abgeschlossen, für die übrigen Radfernwege läuft sie noch.
Die Ergebnisse sind in ihrer Detailliertheit überwältigend. Alle Befahrungen erfolgten nach einem standardisierten Verfahren, das jeweils einen neuen „Abschnitt“ bildet, sobald sich Führungsform, Oberfläche oder Breite der Strecke ändern. Auf der Gesamtlänge von 1.351 km finden sich 1.692 solcher Abschnitte. Im Ergebnis waren mindestens zwei Drittel der Radfernwege sehr gut oder gut befahrbar, mäßig befahrbar waren zwischen 20 und 26 %. Schlecht befahrbar waren zwischen 3 und 8 %, als unbefahrbar wurden weniger als 1 %
eingestuft. (Zahlen aus: Befahrung, Prüfung und Bewertung der D-Routen sowie des Iron Curtain Trail in Schleswig-Holstein, Büro Lebensraum Zukunft UG im Auftrag des MWVATT).
Richtigerweise schreibt das Büro „Lebensraum Zukunft“ aber auch: „Nichtsdestotrotz sind es diese schlecht befahrbaren und unbefahrbaren Abschnitte, die am dringendsten Optimierungsmaßnahmen bedürfen“ – denn häufig sind es genau die, die in der Erinnerung der Radreisenden lange gespeichert bleiben. Die Bewertung der Abschnitte wurde ergänzt durch die Dokumentation punktueller Mängel. Das sind insbesondere Wegweisungen, aber auch Poller oder Umlaufsperren. Dazu kommen positive Merkmale wie Rastplätze, Abstellanlagen oder Reparaturstationen.
Details über die Mängel stellen einen sehr guten Handlungsleitfaden für Kreise und Kommunen dar - alle wissen jetzt, was zu tun ist!
Und wozu jetzt das Ganze? Das Strukturproblem des Radtourismus besteht darin, dass die für die Vermarktung zuständigen Tourismusorganisationen nur eingeschränkt Einfluss auf die radtouristische Infrastruktur nehmen können. Die Zuständigkeit für die Strecken liegt bei den sogenannten Baulastträgern, das können Kommunen, Kreise, das Land (für Landes- und Bundesstraßen) oder auch Privatleute sein. Mancher Kommune war bisher gar nicht so genau bewusst, dass ein Radfernweg durch ihr Gebiet führt und dass ihre „Schlaglochpiste von Kilometer x bis y“ damit ein Problem für den Radtourismus in ganz Schleswig-Holstein darstellt. Radfernwege erfordern also interkommunale und - aufgrund ihrer Länge - sogar kreisübergreifende Zusammenarbeit aller Akteure, denn unbefahrbare Abschnitte in einer einzelnen Kommune prägen den gesamten Radfernweg!
Die Befahrung liefert mit den erarbeiteten „Mängelsteckbriefen“ einen sehr guten Handlungsleitfaden für Kreise und Kommunen. Jeder einzelne Kreis hat sein eigenes „Datenpaket“ bekommen und darin wurde jeder einzelne Mangel mit genauer Position, Foto und Mängelbeschreibung dokumentiert. Aber nicht nur das: der Steckbrief enthält auch Vorschläge zur Mängelbeseitigung einschließlich einer groben Kostenschätzung. Das reicht von der Reinigung eines Wegweisers bis hin zu Vorschlägen für eine Streckenverlegung. Außerdem wurden die Mängel in vier Stufen der Dringlichkeit kategorisiert.
Alle wissen jetzt also genau, wo was zu tun ist. Die ersten haben bereits begonnen, andere werden Unterstützung brauchen. Wichtig wird dabei sein, dass für den Radtourismus auch weiterhin Fördermittel zur Verfügung stehen. Nur damit kann das große Ziel der Radstrategie erreicht werden: Schleswig-Holstein bis 2030 unter die TOP 3 in Deutschland zu bringen!
Claus Ruhe Madsen, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Tourismus und Technologie
Durch die landesweite Befahrung wissen wir jetzt ganz genau, wie der Zustand der
Radfernwege in Schleswig-Holstein tatsächlich ist. Zusammen mit den „Qualitätsstandards
für den Radtourismus in Schleswig-Holstein“ liegen nun die Grundlagen vor, um die Qualität
und Attraktivität dieser überregional bedeutenden Radrouten konkret und zielgenau zu
verbessern. Denn eine hervorragende Infrastruktur ist entscheidend für den Erfolg im
Radtourismus, ein glaubwürdiges Marketing und vor allem: zufriedene Gäste!
Der Ochsenweg soll als erste Qualitätsradroute in SH - gefördert vom Ministerium - ausgebaut werden. Wieso das so ist und was genau geplant ist, fragen wir Olaf Prüß von der Geschäftstelle des SH-Binnenland Tourismus e.V. in diesem Interview.
Liste der Radfernwege in Schleswig-Holstein:
- Nordseeküsten-Radweg
- Ochsenweg
- Ostseeküsten-Radweg
- Grenzroute
- Wikinger-Friesen-Weg
- Eider-Treene-Sorge Radweg
- Nord-Ostsee-Kanal Route
- Mönchsweg
- Holsteinische Schweiz-Radtour
- Elberadweg
- Alte Salzstraße
- Radfernweg Hamburg-Rügen
- Iron Curtain Trail
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