Hätte ich ohne Corona ein FÖJ gemacht? Ein Erfahrungsbericht.
Der ADFC SH bietet jedes Jahr jungen Menschen im Rahmen eines Freiwilligen Ökologischen Jahres Einblicke in die Vereinsarbeit. Julius Bruhn berichtet über sein FÖJ-Jahr seit August 2020, das so viel mehr bot als Corona.
Wie eigentlicher jeder Jugendlicher hatte auch ich den Traum nach meinem Abitur 2020 zu reisen und mich danach durch Praktika weiterzubilden, ehe ich mich für ein Studium entscheide. Durch Corona war dies sehr unrealistisch, weshalb ich mich nach anderen Möglichkeiten umgesehen habe und auf das FÖJ beim ADFC Schleswig-Holstein gestoßen bin.
Ich sah in diesem FÖJ viele persönliche Vorteile. Fahrradtouren als Alternativen zum Reisen sowie viele unterschiedliche Einblicke in die verschiedensten Arbeitsfelder innerhalb des ADFC, die möglicherwiese Praktika ersetzen können.
Im ersten Halbjahr lernte ich den Büroalltag kennen, wofür ich einen eigenen Laptop bekommen habe. Zudem durfte ich mich relativ frei um Beiträge vom ADFC SH-Instagram Account kümmern, wofür ich mich viel mit der Fotografie auseinandergesetzt habe, sowie kleine journalistische Arbeiten, wie einen Testbericht von einem My-Boo Bambusfahrrad, sowie eine Werkstattbesichtigung.
Glücklicherweise waren die ersten FÖJ-Seminare noch in Präsenz, weshalb ich dann auch andere FÖJler*innen kennen lernen konnte. Dort lernten wir aber nicht uns nur kennen, sondern auch direkt wie man Seminare vorbereitet, interessanter gestaltet und gut durchführt.
Kindern so etwas Wichtiges wie Fahrradfahren beibringen zu dürfen, hat mich sehr stolz und zufrieden gemacht.
Im Rahmen meines FÖJ stand jedoch nicht nur Büroarbeit auf dem Programm, sondern ich konnte auch noch bei “Mobilitätstagen” mithelfen. Dafür bin ich mit einer Kollegin und einem Ehrenamtlichen an Grundschulen in Lübeck und Heide gefahren und habe Kindern das Fahrradfahren beigebracht oder deren vorhandenen Fahrkenntnisse verbessert. Das hat mir besonders viel gebracht, weil ich gelernt habe, dass es nicht als selbstverständlich erachtet werden kann, dass jedes Kind ein eigenes Fahrrad hat, weil es sich nicht alle Eltern leisten können alle zwei bis drei Jahre für das Kind ein neues Fahrrad zu beschaffen. Und diesen Kindern so etwas Wichtiges wie Fahrradfahren beibringen zu dürfen, hat mich sehr stolz und zufrieden gemacht.
Bei der Schokofahrt im Herbst konnte ich zum Glück auch noch mitfahren. Dort transportiert man Schokolade nahezu Klimaneutral mit dem Fahrrad aus Amsterdam bis in die Verkaufsstellen vor Ort. Die Kakaobohne wurde vorher mit einem Segelschiff nach Amsterdam gesegelt und dort klimaneutral weiter verarbeitet. Das war für mich eine echt krasse Erfahrung, weil ich vorher noch nie Lastenrad gefahren bin und dann direkt 100 bis 150 km am Tag. Da bin ich echt an meine Grenzen gestoßen und über einen Abbruch der Tour nachdenken lassen, weil mein Knie extrem geschmerzt hat. Doch mit Schmerzsalbe und Zähne zusammenbeißen, habe ich es dann doch geschafft. Das war zwar anstrengend, aber eine echt spannende Reise.
Projektplanung während Corona – Absage in letzter Minute
Dann habe ich noch eine eigenes Projekt ins Leben gerufen, nämlich eine Online-Seminar-Reihe. Mein Ziel war es hier, gezielt hier Junge Menschen zu erreichen und für den ADFC zu begeistern. Dazu habe ich mir zu bestimmten Themen, wie Recht, Politik und Radreiseplanung Expert*innen eingeladen und mit denen je ein Videoseminar durchgeführt. Hier habe ich gelernt, wie man planen muss, wie man das am besten bewirbt, wie man einen Flyer designt, wie man moderiert und vieles mehr.
Bei meinem zweiten eigenen Projekt durfte ich leider nur lernen, wie man eine Strandreinigunsfahrradtour plant und nicht, wie man sie umsetzt, da die Corona-Pandemie dies verhinderte. Jetzt weiß ich aber, wie man ein Team zusammenstellt, Aufgaben verteilt, Kostenanträge und Projektübersichten erstellt, sowie viele andere Dokumente, wie Hygienekonzepte, Anmeldungen, Sponsorenverträge, etc., aber auch wie man am besten Unterstützung anfragt und wie viel sonstige Arbeit die Planung eines solchen Projektes bedeutet.
Corona hat meinem FÖJ viel genommen und es hätte alles viel besser sein können, gäbe es die Pandemie nicht, aber hätte ich ohne Corona ein FÖJ gemacht?
Ich habe bis zu dieser Stelle versucht, Corona so gut es ging nicht zu erwähnen. Doch leider hat die Pandemie auch mein FÖJ sehr stark negativ beeinflusst. Dazu gehört, dass ich leider keine Tourenleiterausbildung machen konnte und keine Messe besuchen konnte, wo ich gelernt hätte einen Stand zu betreuen. Viele FÖJ-Seminare wurden Corona-bedingt nur online durchgeführt und kaum ein Projekt konnte in der Form umgesetzt werden, wie es ursprünglich geplant war. Zudem wurden viele FÖJ-Aktivitäten abgesagt, wo man unter anderem die Möglichkeit gehabt hätte, die anderen FÖJler*innen näher kennenzulernen. Klar, Corona hat meinem FÖJ viel genommen und es hätte alles viel besser sein können, gäbe es die Pandemie nicht, aber hätte ich ohne Corona ein FÖJ gemacht? Ich habe in meinem FÖJ Vieles gelernt und dafür kann ich nur dankbar sein. Denn vielleicht war das FÖJ das Beste, was ich in dieser Corona Zeit hätte machen können.