Wissen sie, was sie tun?

 

Die neue Landesregierung aus CDU und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN zeigt mit Koalitionsvertrag und 100-Tage Programm: Sie will den alten “Kurs halten” – auf Kosten von Klima und Verkehrswende.

 

Im Koalitionsvertrag werden einige wichtige Aspekte der zukünftigen Mobilitätspolitik angesprochen, konkret ist davon wenig – und wir haben Fragen. Wie wollen sie für Verkehrssicherheit sorgen, wenn alle Maßnahmen lediglich auf den menschlichen Fehlerfaktor zielen und Geschwindigkeitsreduzierungen weiterhin nur umgesetzt werden sollen, wenn mindestens
drei Unfälle erfolgt sind? Wo sollen die benötigten Planer*innen weiterund ausgebildet werden? Ein entsprechendes Angebot gibt es jedenfalls noch nicht. Im Koalitionsvertrag wird zwar proklamiert:  ́Alle Verkehrsträger sind gleichberechtigt ́, aber gleichzeitig sollen  ́Verbesserungen auf der einen Seite möglichst nicht zu Beschränkungen auf der anderen Seite führen ́.

Abgesehen davon, dass das im Angesicht jahrzehntelanger autozentrierter Verkehrsplanung und der Klimakrise mehr als befremdlich ist: Wie soll denn eine Gleichberechtigung der Verkehrsmittel erreicht werden, wenn die Verteilung der Mittel aus dem GVFG (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) 60 % fürs Auto und 40 % für den Rest beträgt – sowie 90 Millionen jährlich (!) für das Landesstraßenprogramm und nur 20 Millionen Euro für die Radwegesanierung aufgewendet werden sollen?

Wo sollen die Flächen für die so notwendige Radinfrastruktur herkommen – außer vom Auto? Und von wem soll der Zustand von Radwegen erfasst und Sanierungen vorangetrieben werden?Mit welchen Mitteln sind Angebotsverbesserungen wie erhöhte Taktung im ÖPNV hinterlegt und wer soll das umsetzen? Wie soll der Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr weiterentwickelt werden? Fragen über Fragen bleiben unbeantwortet.

 

Unsere dringendste Frage: Wissen sie, was sie tun?

 

Um fair zu bleiben: Im Koalitionsvertrag stehen einige Punkte, die wir begrüßen. So beispielsweise, dass in Zukunft Radwege separat und nicht mehr nur in Zusammenhang mit Straßen saniert werden können – oder vielleicht doch nicht (siehe S. 4 und 5)? Dass die Radstrategie umgesetzt werden soll. Dass der Landesweite Nahverkehrsplan für mehr Schieneninfrastruktur - und damit mittelfristig ein besseres ÖPNV-Angebot - konsequent umgesetzt werden soll.

So weit so gut! Und was davon wird sofort angegangen? Ein Blick ins 100-Tage-Programm, mit dem die Landesregierung im Juli ihren “Gestaltungsanspruch im Klima- und Umweltschutz” deutlich machen wollte, zeigt: Absolut gar nichts! Die angeführten Maßnahmen im Verkehrssektor, der seit Jahren die erforderlichen Einsparungen im CO2-Bereich nicht erreicht, wirken planlos, willkürlich und ambitionslos. Wichtige Verkehrsbereiche, wie der ÖPNV oder die Schieneninfrastruktur, werden erst gar nicht erwähnt. Der Radverkehr wird zwar erwähnt, jedoch ohne zielführende Ankündigungen. Statt deutlichen Signalen, wie einer Sanierungs- und Ausbauoffensive von Radwegen, soll lediglich ein landesweiter Radwegemängelmelder konzeptioniert werden. Offen bleibt dabei auch: Wie aber wird aus der Mängelmeldung dann eine Mängelbeseitigung?

Aber gibt es nicht einen fertigen Rahmenplan des Landes für mehr nachhaltige Mobilität mit dem Fahrrad? Ja! Die Radstrategie 2030. Sie erfüllt die Hauptforderung des ADFC: „30 Prozent Radverkehr bis 2030“. Die Strategie wurde im September 2020 mit großer Mehrheit im Landtag verabschiedet. Doch auch gut zwei Jahre später fehlt eine echte Strategie zur Umsetzung des Maßnahmenkatalogs!

Welche Verkehre sollen denn da auf ́s Rad verlagert werden, um 30 Prozent Radverkehrsanteil zu erreichen? Pendler*innen? Schüler*innen? Freizeitverkehr? Und mit welchen konkreten Maßnahmen? Auf welcher baulichen Infrastruktur sollen denn die mehr als doppelt so vielen Radfahrer*innen unterwegs sein? Und nicht zuletzt: muss eine Zunahme des Radverkehrsanteils nicht eine Reduzierung des Autoverkehrs bedeuten? Ist dann wirklich jede geplante Umgehungsstraße weiterhin erforderlich?

Entsprechend wünschen wir uns von der Landesregierung bis Ende des Jahres einen aktualisierten Plan für das erste Jahr der neuen Legislaturperiode.

 

Die drängendsten Maßnahmen aus unserer Sicht:

 

• die Ausarbeitung des Landesweiten Radverkehrsnetzes (LRVN)

• ein konkreter Maßnahmenplan einschließlich Finanzierung zur sichtbaren Umsetzung der Radstrategie für die nächsten drei Jahre


• und ein Runder Tisch "ÖPNV + Rad"

Denn: Das Fahrrad hat echtes Potential, den Klimaschutz im Verkehrssektor zu ermöglichen. Aber von Sonntagsreden allein lässt kein Mensch das Auto stehen. Wir erwarten von der neuen
Landesregierung: Nutzen Sie den Moment, und fördern Sie endlich konsequent das Fahrradfahren – und
zwar sofort!


Stephanie Meyer (Landesvorsitzende) und
Jan Voß (Landesgeschäftsführer)

 

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    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 215.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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