Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Schleswig-Holstein e. V.

© Torben Stahlschmidt

Ausbildung zum Fahrradmechatroniker - ein Erfahrungsbericht

Torben Stahlschmidt hat sein Hobby zum Beruf gemacht und macht nun eine Ausbildung zum Fahrradmechatroniker bei Norwid in Neuendorf, SH. Hier erzählt er von seinen Erfahrungen.

Man kennt den Ausdruck “Das Hobby zum Beruf machen”, der ein bisschen nach Klischee klingt. Aber eigentlich immer, wenn ich eine Person getroffen habe, die genau das gemacht hat, hatte ich den Eindruck, dass diese Menschen irgendwie eins sind mit sich und ihrem Beruf. Und ich muss gestehen, dass in mir immer etwas Neid aufstieg. Da ich mich in meiner Freizeit immer wieder mit Fahrrädern, insbesondere alten verwahrlosten Stahlrädern, beschäftigt habe, wurde mir irgendwann klar, dass Fahrräder auf mich einfach diese Anziehungskraft ausüben, die ich bei anderen immer so bewundert habe.

Für mich stand schon eine Weile fest, dass ich eine Veränderung in meinem Job und meine Frau und ich Veränderung in unserem Wohnort brauchten. Und ich spürte, dass ich meinem Bedürfnis, mich handwerklich zu betätigen, mehr Raum geben wollte als bisher, denn die praktische Arbeit hat mich meistens mit einer inneren Zufriedenheit erfüllt, und mich hat schon immer ein Streben nach Gestaltung, Nachhaltigkeit und Langlebigkeit angetrieben.

Fahrräder sind schon für sich genommen eines der nachhaltigsten Fortbewegungsmittel, die wir haben. Aber darüber hinaus haben sie auch so viele positive gesellschaftliche Effekte, die es einfach lohnenswert machen, sich mit ihnen zu beschäftigen. Die Bewegung tut gut, stärkt das Immunsystem und reduziert Stress. Mit dem Fahrrad kommen wir nahezu emissionsfrei von A nach B. Fahrräder nehmen erheblich weniger Platz im Straßenraum ein als Autos. Platz, den man für Grünflächen, Fußgänger*innen, Cafés, Restaurants, Spielflächen und vieles mehr nutzen kann. Unter dem Nachhaltigkeitsaspekt, aber auch wegen des eleganten schlanken Looks, haben mich besonders Stahlräder angesprochen. Vielleicht liegt es aber auch nur an meinem Nachnamen – wer weiß. Stahl ist jedenfalls in der Herstellung wenig energieaufwändig und lässt sich am Ende des Lebenszyklus sehr gut recyclen. Zudem ist es robust und bietet sehr gute Fahreigenschaften.

Je mehr ich mich mit dem Thema befasste, desto mehr wuchs das Bestreben, alte (Stahl)-Rahmen modifizieren zu können, um ihnen mit modernen Komponenten ein zweites Leben geben zu können. Auf der Suche nach einem Fahrradbauer, der in Deutschland in Handarbeit maßgefertigte Stahlräder nach Kundenwunsch baut, bin ich schließlich auf NORWID und Rudolf Pallesen gestoßen, der schon seit über 30 Jahren nördlich von Hamburg an der Elbe mit großer Leidenschaft Fahrräder baut. Auf meine Bewerbung hin kamen wir ins Gespräch und zu dem Schluss, dass eine Ausbildung zum Zweiradmechatroniker mir den passenden Rahmen geben würde, das Handwerk von Grund auf zu lernen. Die Ausbildung verschafft mir in meinem Fall tatsächlich die Zeit und den Raum, mich mit den Themen zu beschäftigen, die mich interessieren. Ich kann und darf Dinge aus-probieren, bin aber gleichzeitig in den geregelten Berufsalltag eingebunden. Ich habe vorher schon fünf Jahre als Stadtplaner gearbeitet. Obwohl ich Stadtplanung nach wie vor ein enorm wichtiges und spannendes Thema finde, haben mich dort die Langwierigkeit der Planungsprozesse und der Büroalltag etwas gelähmt. Nach meiner beruflichen Wendung hat sich glücklicherweise bestätigt, dass ich wieder sehr gerne zur Arbeit gehe und auch während der Arbeit Erfolgsmomente erlebe und Zufriedenheit spüre. Ich kann jede*n, der oder die sich für den Beruf interessiert oder schon in der Ausbildung ist, dazu ermutigen, Dinge auszuprobieren und sich Aufgaben zuzutrauen, denn nur so kann man dazulernen und sich weiterentwickeln.

Auch wenn der Wechsel zwischen Ausbildung im Betrieb und dem Schulblock immer wieder eine kurze Umgewöhnung ist, sehe ich die Schule als Bereicherung, weil es guttut, sich mit anderen Fahrradbegeisterten von jung bis älter über Erfahrungen aus dem Berufsalltag oder Fragen rund ums Thema Fahrrad auszutauschen. Letztendlich tragen wir alle gemeinsam dazu bei, dass unsere Kund*innen sicher, aber vor allem mit Freude auf ihren Fahrrädern unterwegs sind. Die teilweise geringe inhaltliche Dichte in der Schule ist jedoch etwas herausfordernd und macht die Schultage manchmal etwas zäh. Insgesamt stellt sie aber eine gute Ergänzung zur Praxis dar und hilft, das eine oder andere Thema nochmal mit theoretischem Wissen zu ergänzen oder zu vertiefen. Mit Hinblick auf meine bald anstehende Gesellenprüfung freue ich mich auf die Arbeit als Fahrradmechaniker und bin sehr gespannt, wo mich dieser Weg noch hinführt. 

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